Nicht selten reduziert auf den physischen Aspekt von Gesundheit, beziehen sich die Effekte des Taiji Trainings auf die physische, emotionale und mentale Ebene, die unteilbar miteinander verbunden sind und den ganzen Menschen ausmachen.

Die positiven Effekte sind in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt wissenschaftlich untersucht worden. Eine Übersicht befindet sich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - im Bereich Forschung. Der zunehmend begleitende Einsatz des Taiji Trainings in therapeutischen Einrichtungen mit psycho-somatischem und psycho-therapeutischem Schwerpunkt unterstreicht den positiven Einfluss auf die Gemütslage des Menschen (Emotionen). Auch scheinen die beruhigenden Einflüsse auf das Nervensystem und Gehirn deren Regeneration zu unterstützen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass durch die besondere Art der sanften Bewegungsführung in Kombination mit einer tieferen Atmung, alle Körperflüssigkeiten (Blut, Lymphe, Gewebeflüssigkeit, Gelenkflüssigkeit) eine verbesserte Zirkulation erfahren. Dies hat Auswirkungen auf viele Stoffwechselprozesse des Organsystems.

Der sich dabei gleichzeitig durch den Körper bewegende Geist (Aufmerksamkeit/Intention) wiederum verstärkt die Zirkulation der Energien und fördert die allgemein bezeichnete „Harmonie“. In diesem spirituellen Aspekt des Taiji gewinnt die Innenfokussierung immer mehr Stabilität und stärkt die tiefere Ruhe, welche sich auch auf die Lebensführung im Alltag auswirkt. Als Form der Meditation öffnet Taiji hier die Tür zu einem inneren Raum, in den der oberflächliche „Alltags-Geist“ mit all seinen Gedanken, Wünschen, Ängsten und Sorgen seinen Zutritt verliert. Und so öffnet dieser Raum letztlich die Möglichkeit zu Bewusstseinsschulung und zur inneren Entwicklung des Selbst.

In der zunehmenden Alltagsbelastung, der Verdichtung von Arbeitsprozessen und sich verringernden Zeitfenstern für die Erfüllung von Arbeit, erleben wir die Zunahme von äußerlichen Zwängen und Drücken als Einzelner und in der Gesellschaft. In diesem Kontext kann der Begriff der „Selbstverteidigung“ – der die Kunst beschreibt, Kräfte und Energien von sich und anderen zu managen, ohne sie gegen sich zu richten – eine neue Erfahrungsdimension erhalten. Taijiquan zählt zu den inneren der chinesischen Kampfkünsten (Wushu/Neigong), da es das hohe Ziel verfolgt, mit den Kräften des Gegenüber/Anderen ohne Blocken (aktive Gegenkraft) das eigene Zentrum aufnehmend zu füllen, diese zu wandeln und in eine andere Richtung vom eigenen Zentrum wegzuführen. Es wird kein Widerstand entgegengesetzt und das Prinzip „Nachgeben - Neutralisieren - Abgeben“ (Yield-Neutralize-Issue) in meditativer Form geübt. Dieser Übungsfokus bezieht neben der körperlichen auch die emotionale und mentale Ebene (alle drei Zentren) mit ein und hilft, diese zu balancieren.

Der Weg der inneren Entwicklung und Verfeinerung des Menschen ist der Weg über die Balancierung des mentalen, emotionalen und körperlichen Zentrums. Taiji wendet die Aufmerksamkeit von der Außenwelt ab und den inneren Sensoren sowie dem Energiefeld des Körpers zu. Durch regelmäßiges Taiji-Training entwickelt sich Achtsamkeit, Intention und Intelligenz, die schließlich zu tiefgreifenden inneren Veränderungen führen.

Dieser erste Schritt ist am schwierigsten, da der oberflächliche Geist anfangs stärker ist als der tiefe Geist (Deep Mind). Lange Übung, den Geist wieder auf den Körper zu lenken, stärkt diesen „Zwischenzustand“, der dann allmählich mehr und mehr in dein normales Leben getragen werden kann, so dass du in komplexen äußeren Umständen nicht so leicht dein Selbstgefühl verlierst.“
Patrick Kelly

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